Offener Brief an die Bundesregierung

Sehr geehrter Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrte Außenministerin Baerbock,
sehr geehrte Innenministerin Faeser,
sehr geehrte Entwicklungsministerin Schulze,
sehr geehrter Queerbeauftragter Lehmann,

der sogenannte Anti-Homosexuality Act ist ein Gesetz Ugandas, das Leben, Freiheit und zivile Rechte von LSBTIQ* in Uganda in unerträglicher Weise bedroht und beschränkt. Dieses Gesetz wurde mit der Unterzeichnung durch den Präsidenten Ugandas, Yoweri Kaguta Museveni, am 26.05.2023 in Kraft gesetzt.

Das Gesetz sieht lebenslange Haftstrafen für gleichgeschlechtlichen Sex und sogar die Todesstrafe für „schwere Homosexualität“ vor. Dabei handelt es sich u. a. um Personen, die schon einmal wegen homosexueller Handlungen verurteilt wurden.

Die „Förderung der Homosexualität“ wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren und Geldstrafen geahndet. Dadurch können Organisationen, die LSBTIQ* unterstützen, selbst nur noch unter größter Gefahr bzw. nicht mehr arbeiten. Und mehr: Das Gesetz verpflichtet Angehörige, Nachbar*innen, Ärzt*innen, Behörden zur Denunziation, wenn ihnen die Lebensweise oder sexuelle Identität von LSBTIQ* bekannt wird.

Als Folge verlieren LSBTIQ* ihre Wohnung oder den Zugang zu medizinischer Versorgung und werden gehindert, Hilfsangebote von unterstützenden Organisationen anzunehmen. Sie werden verfolgt, erfahren brutale Gewalt und müssen um ihr Leben fürchten. Interniert erwarten sie schlimmste Haftbedingungen.

Das Anti-Homosexualitäts-Gesetz verstößt gegen die Menschenrechte und befeuert gesellschaftliche Diskriminierung und Gewalt gegenüber queeren Menschen. Es besteht außerdem die Gefahr, dass die wichtigen Fortschritte, die Uganda bei der Bekämpfung von HIV und Aids gemacht hat, zunichtegemacht werden.

Berichte von Aktivist*innen vor Ort, die unserem Netzwerk virtuell in digitalen Meetings zugeschaltet sind, bestätigen die katastrophale Entwicklung für LSBTIQ in Uganda seit dem Inkrafttreten des Gesetzes. HPRAF (Human Rights Awareness and Promotion Forum) hat gerade eine Studie veröffentlicht, die den Schweregrad der Lage verdeutlicht [1].

Die Queere Nothilfe Uganda hat sich aus ca. 40 Organisation, Initiativen und Individuen zusammengeschlossen, um jegliche Möglichkeiten der Hilfe für LSBTIQ* zu eruieren und in die Wege zu leiten. Zum einen geschieht dies durch das Akquirieren von Spenden für Organisationen vor Ort, die LSBTIQ* unterstützen. Zum anderen sehen wir uns in der Pflicht, die deutsche bundespolitische Ebene auf die Zustände aufmerksam zu machen und um schnelle und unbürokratische Unterstützung der LSBTIQ* in Uganda zu ersuchen.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir sehr, dass Deutschland zusammen mit 31 weiteren Staaten aus der Equal Rights Coalition in einer Stellungnahme das Gesetz und auch seine gesellschaftlichen Folgen scharf verurteilt hat.

Wir haben darüber hinaus folgende fünf Forderungen an die Bundesregierung in dieser Situation:

1) Wir fordern die Bundesregierung auf, insbesondere LSBTIQ-Aktivist*innen aus Uganda, die durch ihre Arbeit mit LSBTIQ-NGOs besonders stark gefährdet sind, mithilfe humanitärer Visa in Deutschland jetzt Schutz zu gewähren. Es haben sich bereits Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland an uns gewandt, die mit LSBTIQ-Aktivist*innen in Uganda arbeiten und in großer Sorge um ihre Kooperationspartnerinnen sind. Eine Liste mit 177 stark gefährdeten queeren Aktivist*innen liegt der Bundesregierung zusammen mit einem Aufruf von 80 Prominenten seit mehreren Wochen vor. Humanitäre Visa für gefährdete LSBTIQ-Personen sind im Koalitionsvertrag vereinbart; da hier der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle spielt, mahnen wir besonders in diesem Punkt zur Eile.

2) Deutschland muss sich zudem dafür einsetzen, dass die Abgeordneten Ugandas, die dieses Gesetz eingebracht haben, und Vertreterinnen der dafür lobbyierenden NGOs und Kirchen insbesondere nicht mehr in den Schengenraum einreisen können. Das Handeln dieser Personen darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. Die USA haben bereits Personen aus Uganda entsprechend gelistet. [2]

3) Des Weiteren ist uns wichtig, dass Deutschland diese Politik in Uganda nicht mitfinanziert: Jetzt, wo das Gesetz in Kraft gesetzt wurde, darf Deutschland keine Anti-LSBTIQ-Kräfte in Uganda stärken. Die Entwicklungshilfe an den ugandischen Staat gehört daraufhin überprüft – andere Träger der Zivilgesellschaft sind oft der bessere Weg. Darüber hinaus soll Deutschland insbesondere den „Inter-Religious Council of Uganda (IRCU)“ und seine Mitgliedsorganisationen (z. B. die Anglikanische Kirche), die für das Gesetzt lobbyiert haben, nicht weiter fördern.

4) Es ist wichtig, dass Deutschland die LSBTIQ-Organisationen vor Ort insbesondere mit finanzieller Soforthilfe fördert, um damit dringende Notfallmaßnahmen zum Schutz der LGBTIQ-Community vor Ort zu unterstützen – nachdem die Botschaft z. B. bereits Projekte vor Ort gefördert hat.

5) Die Reisewarnung für Uganda muss wie seitens der USA geschehen noch deutlicher machen, was das neue Gesetz in der Praxis bedeutet und dass es z. B. selbst für Nicht-LSBTIQ* gelten kann, die sich für queere Rechte einsetzen!

Für ein persönliches Gespräch sowie für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Bündnis Queere Nothilfe Uganda

Ansprechpersonen:
Stephan Jäkel (+49 179 7974307)
Dirk Ludigs (+49 170 5544412)
info@queere-nothilfe.de

[1] HRAPF, Increasing Violence and Violations: The First 21 Days of the Anti-Homosexuality Act, 2023 Act, 2023, June 21 2023
[2] www.state.gov/visa-restrictions-for-undermining-the-democratic-process-in-uganda/
[3] travel.state.gov/content/travel/en/traveladvisories/traveladvisories/uganda-travel-advisory.html

Liste der Organisationen, die dieses Schreiben unterstützen:

Mitgliedsorganisationen von Queere Nothilfe Uganda
Akademie Waldschlösschen Stiftung
Aktionsbündnis gegen Aids e.V.
Aids Action Europe
Aktionsbündnis gegen Homophobie e.V.
AllOut Action Fund
Berliner Aids-Hilfe e.V.
BiBerlin e.V.
BiNe – Bisexuelles Netzwerk e. V.
CSD Deutschland e.V.
Checkpoint BLN
Deutsche Aidshilfe e.V.
Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität dgti e.V.
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin e. V.
Equal PostOst e.V.
Hannchen Mehrzweck Stiftung HMS
Hirschfeld-Eddy-Stiftung
Jugendnetzwerk Lambda e.V.
Just Human e.V.
LesLeFam (Lesben Leben Familie) e.V.
LesMigraS/Lesbenberatung Berlin e.V.
LGBT+ Rights Ghana
Let’s Walk Uganda
Lesbenring e.V.
Lesben- und Schwulenverband (LSVD) e.V.
Orden der Schwestern der Perpetuellen Indulgenz – Haus Sankta Melitta Iuvenis e.V.
Pride Initiative for Eastern Region Uganda (PIERU)
Projekt 100% MENSCH gemeinnützige UG
PROUT AT WORK-Foundation
queeramnesty Berlin
QUEERHOME/Sonntagsclub e.V.
Queermentor-Training & Empowerment Network gGmbH
Schwulenberatung Berlin gGmbH
SchwuZ Berlin GmbH
TransInterQueer e.V.
Uganda Minority Shelters Consortium (UMSC)
Völklinger Kreis e.V.
Wirtschaftsweiber e.V.
Einzelpersonen von Queere Nothilfe Uganda
Dirk Ludigs, Journalist
Fabian Grischkat, Newsfluencer / Moderator
Dr. Lutz van Dijk, Autor und Pädagoge

Weitere Organisationen, die das Schreiben unterstützen:
ACAT Deutschland (Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter) e.V.
ADRA Deutschland e.V.
AK Aids (Arbeitskreis niedergelassener Ärzte in der HIV-Versorgung Berlin e.V.)
AktHIV.de e.V.
BAfF e.V. (Bundesarbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer)
BNS (Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen)
Bundesverband der vietnamesischen Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland e.V.
ColognePride e.V.
Der Paritätischer Gesamtverband
Deutscher Frauenrat e.V.
DIE LINKE. queer
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V
IMEDANA e.V.
Mission TRANS* e.V.
Munich Kyiv Queer
Nürnberger Menschenrechtszentrum e.V.
LiSL – Liberale Schwule, Lesben, Bi, Trans und Queer e.V.
Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V.
PLUS Rhein-Neckar e.V.
pro plus berlin e.V.
Queeres Zentrum Mannheim e.V.
Queergrün
Rainbow Afghanistan
Rat und Tat Zentrum für queeres Leben e.V.
Rosa Hilfe Würzburg
Rosa Strippe e.V.
SPDqueer
Stiftung Nord-Süd-Brücken
Sub – Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum München e.V
TERRE DES FEMMES Menschenrechte für die Frau e.V.
The International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA World)
The LGBT Life e.V.
WILPF Deutschland (Deutsche Sektion der Women’s International League for Peace and Freedom)
WostoQ –Regenbogen e.V.
ZIK – zuhause im Kiez gGmbH

Queere Nothilfe
www.queere-nothilfe.de
Jetzt spenden für die Queere Nothilfe Uganda:
https://www.we-aid.org/initiatives/queere-nothilfe-uganda

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